Die Definition für Trauma, die sich aus meiner Arbeit heraus gezeigt hat, ist
„Ein Trauma ist eine Last von sehr intensiven unangenehmen Gefühlen. Diese Last entstand während einer Situation, in der die Impulse aus den intensiven Gefühlen nicht ausgelebt werden konnten. Daher wurden die Gefühle vom Körper (dem Unterbewusstsein) nicht weiter angeboten, jedoch gespeichert."
Wie entsteht ein Trauma?
In der traumatischen Situation selber kann es angemessen sein, extreme und starke Gefühle zunächst nicht zu fühlen, sondern auszublenden, falls man nicht entsprechend reagieren kann. Als Beispiel: Die Gefühle "ängstlich" oder sogar "panisch" und "erschrocken" sind verbunden mit Energie / Kraft: Wegzurennen oder sich zu verteidigen, sind damit vorbereitet. Erscheint die Situation jedoch ausweglos, folgen z. B. die Gefühle "gelähmt", "hilflos" und "resigniert". Der Körper ist dann wie erstarrt: Sich tot zu stellen, ist eventuell hilfreich, um Schlimmeres zu verhindern. Verhalten folgt eher Reflexen, besonders wenn keine erlernten oder erprobten Verhaltensweisen zur Verfügung stehen wie z.B. in der Kindheit. Wenn man "funktionieren" muss, um größere Gefahren zu verhindern oder ihnen auszuweichen, oder z. B. als Kind mit der Situation überfordert ist, werden die Gefühle erst einmal im Unterbewusstsein 'geparkt'. Im Beispiel ist nun eine große Last an den Gefühlen "hilflos", "resigniert", "panisch" und "erschrocken" im Unterbewusstsein abgelegt - falls die Gefühle nicht im Nachgang an die Situation aktiv gefühlt und damit integriert werden.
Was passiert weiter in einem traumatisierten Menschen, der z. B. in unserem Kulturkreis aufgewachsen ist?:
Im Nachgang an das traumatisierende Erlebnis bietet das Unterbewusstsein diese intensiven Gefühlen wieder an: Die Gefühle, die an mehr oder weniger verzerrte Bilder der Erinnerung gekoppelt sein können, sollen nun im Nachhinein verarbeitet werden, um daraus zu lernen und Erfahrung zu sammeln. Häufig wird das Abrufen dieser "alten" Gefühle durch Reiz- oder "Trigger"-Situationen in einem Augenblick des Alltags der betroffenen Person ausgelöst: Die Gefühle sind plötzlich wieder da!
Die Last der dann auftauchenden Gefühle ist für die betroffene Person sehr herausfordernd und das Maß an Grauenhaftem oder Überwältigendem veranlasst die Person den Kontakt mit den Gefühlen zu vermeiden. Dies liegt daran, dass die betroffene Person keine Kenntnis und Erfahrung darüber hat, dass und wie diese Last verarbeitet, also verringert oder beseitigt werden kann. Daher übernimmt ein mehr oder weniger bewusster Anteil des Verstandes die Kontrolle.
Mit der Zeit entwickelt sich ein Verhalten, das hilft, die aus dem Unterbewusstsein angebotene Verarbeitung zu ignorieren oder zu "überhören": den sich andeutenden Gefühlsmix also nicht fühlen zu müssen.
Die z. B. durch äußere Reize ausgelösten Angebote des Unterbewusstseins, mit dem Trauma in Kontakt zu treten, werden in der Trauma-Arbeit "Flashbacks" genannt. Die Flashbacks zu ignorieren und kontrollieren zu wollen, kostet die Person viel Kraft.
Der biologische Sinn des Speicherns und Anbietens ist die Integration der Gefühlsinformationen "alter" Gefühle in die eigene Person (s. a. Coaching): Normalerweise steuert dieses ganz natürliche Lernen das Verhalten für die Zukunft: Ich ahne zukünftig für mich wenig hilfreiche Situationen und bin angemessen alarmiert. Oder ich sorge dafür, dass bedeutsame Werte oder Lebensaspekte, die auch in der traumatisierenden Situation unerfüllt waren, in Zukunft eine hohe Wahrscheinlichkeit erhalten, erfüllt zu sein.
Das sich entwickelnde Abwehrverhalten gegen die intensiven Gefühle und ein ggf. die Abwehr verstärkendes Gedankenchaos z. B. in Form sich wiederholender Gedankenschleifen sind das Problem, denn die Gedanken und das Vermeiden wirken damit einer angemessenen Verarbeitung entgegen: Daher speichert das Unterbewusstsein das Angebotene weiter. So kommen diese Flashbacks immer wieder.
Aus biologischer Sicht ist die – mehr oder weniger bewusste – Verstandeshaltung (z. B. das Gedankenchaos) widersinnig und lediglich kraftzehrend. Ein Flashback hingegen ist ein Integrations- und Lernangebot. Allerdings eines, das oft sehr abweichend von den alltäglichen „Gefühlserinnerungen“ (s. dazu Coaching) in der traumatisierten Person abläuft, weil das Unterbewusstsein im Sinne des betroffenen Organismus die Gefühle in Portionen anbietet, was sich z. B. in Erinnerungsbildern zeigt, die anfangs nicht vollständig oder verschwommen sind.
Weshalb ist die Aktivität des Verstandes (Bewusstseins) wenig hilfreich zur Verarbeitung eines Traumas? (Vertiefung und Phänomen der Dissoziation)
Es sind gefühlsmäßige (emotionale) Spannungsfelder im Menschen während und direkt nach dem traumatischen Erlebnis entstanden. Viele der Gefühle erscheinen dem Bewusstsein, also dem Verstandes-bezogenen Denken, widersprüchlich und manche sind sogar unannehmbar. Im Unterbewusstsein dagegen gibt es keine Bewertungen: Die scheinbar widersprüchlichen Gefühle liefern lediglich ein Bild, das nicht einfach „schwarz-weiß“ ist, sondern sehr komplex und an vielen Stellen einfach „unglaublich“ (wird also z. B. als extrem verwirrend und haltlos erlebt): Die Situation stimmt überhaupt nicht mit dem bisherigen Lebenserfahrungen überein und ist zudem „gefährlich“ (wird z. B. als Situation ohne existentiellen Schutz oder Sicherheit erlebt). Die Denkmuster, die in den modernen Menschen eine sehr große Wirkung entfalten, greifen diese gefühlsmäßigen Spannungsfelder mit Bewertungen, Interpretationen und / oder Analysen auf und verzerren und vergrößern die Last der gefühlten persönlichen Situation weiter: Denn durch bewertende Gedanken ist es möglich, die emotionale Situation zu Verändern. Man kann sich weiter ins "Abwärts" denken oder ins "Aufwärts". Beide Entwicklungen sind jedoch nur scheinbar die gefühlsmäßige Realität. Würde die Person innehalten und Kontakt mit den wirklichen Gefühlen aufnehmen, statt zu denken, wären diese Abweichungen relativ schnell wieder zur persönliche Wirklichkeit oder Wahrheit aufgelöst.
Eine Dissoziation (Abspaltung von Teilen des persönlichen Erlebens oder Aufspaltung der Persönlichkeit in einzelne Teile) ist daher eher auf der Grundlage der abwehrenden Gedanken entstanden.
Evolutionsbiologischer Blick auf traumatische Situationen
Gewaltvolle Übergriffe sind sicherlich auch in der ältesten Frühgeschichte des Menschen passiert und damit auch evolutiv in Verarbeitungsmechanismen abgebildet: So entsetzlich das in der Vergangenheit Erlebte auch ist, es besteht die Möglichkeit, eigenes Erleben zu integrieren und möglichst geringe „emotionale Narben“ zu behalten. In der Natur hat sich dies in allen fühlenden Wesen durch das Fühlen der Gefühle etabliert. Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass das selbsteinfühlende Durchleben für die Verarbeitung von Traumata hilfreich ist. In der menschlichen Kulturentwicklung ist diese Fähigkeit in ritualisierten Tänzen oder Zusammenkünften z. B. nach kriegerischen Auseinandersetzungen oder nach Naturkatastrophen ermöglicht worden: Es wurde der Raum und die Akzeptanz für das Durchleben von "Grauenhaftem" oder von großer "Hilflosigkeit" für jeden ermöglicht.
Ich gehe davon aus, dass auch Missbrauchssituation ein Teil der menschlichen Frühgeschichte gewesen sind. Daher hat sich das Durchleben und Lernen aus derartigen traumatischen Erlebnissen in der Evolution ebenfalls bewährt und etabliert. Bewährt meint auch hier: Bezogen auf den in jedem Lebewesen aktiven Wunsches nach "Überleben", ist es hilfreich, dass nach schrecklichen Erlebnissen keine Einschränkungen oder Lähmungen / Blockaden bleiben. Denn dies schränkt das persönliche Potenzial des Überlebens ein und wäre im Vergleich zur ungehemmten Potenzial-Entfaltung nach und nach "ausgestorben".
Übergriffe gegenüber Kleinkindern oder sogar Säuglingen als komplexe Traumata (also wiederholte Übergriffe) sind vermutlich jedoch ein schreckliches Phänomen späterer Menschheitsgenerationen. Traumata aus dem Kleinstkind-Alter könnten wegen der oben vermuteten Sonderstellung eine besondere Herausforderung für die Betroffenen darstellen. Ich persönlich bin jedoch zuversichtlich und setzte auf den lebensbejahenden Überlebenswillen, der jedem Lebewesen angeboren ist und der ein Potenzial freisetzt, sodass selbst Kleinstkinder-Traumata verarbeitet werden können. Dies könnte auch die Kette der Missbrauchshandlungen durchbrechen.
Das empathische (Selbst-)Coaching stellt somit auch einen hilfreichen und wirksamen Zugang zu Traumata und deren Verarbeitung dar:
Der Fokus eines Coachings liegt bei mir darin, zunächst eine Vertrauensbasis in diese Herangehensweise zu ermöglichen: Die Klienten lernen die Selbstempathie (darin die Selbstreflexion) an persönlichen Beispielen kennen. Diese sind ggf. sogar schon Teil des Traumas. Daran orientieren sich der Verstand (also das Bewusstsein) und das Unterbewusstsein (die Intuition) des Klienten: Sollten Offenheit und ein Vertrauen in die Unterstützung durch den Coach bestehen, wird der Klient sich auch das (Selbst-)Coaching einlassen. Da die Ressource „Kraft“ entscheidend ist (s. Coaching) ist die Integration eines Traumas – also Heilung, mindestens Erlösung – vermutlich ein Prozess in Etappen.